Irkutsk – Nauschki – Suche Bator – Ulan Bator

30 04 2015

+++ Sturm in Irkutsk +++ Russische Steppe +++ Grenze Rußland-Mongolei

Hallo zusammen,

Ich verließ das Hotel am 28. April gegen 19 Uhr Irkutsker Zeit, wo gleichzeitig und binnen weniger Minuten ein riesiger Sturm losbrach und ich fast von einer herabstürzenden Markise des Hotels erschlagen worden wäre. Die Überquerung der Angara auf der großen Brücke wurde zur Qual, da sich der ganze Straßenstaub in der Kleidung, den Augen und Zähnen festsetzte. Am Ende erreichte ich glücklicherweise trockenen Fußes den Bahnhof auf der anderen Seite des Flusses, wo ich Einkäufe für die Fahrt tätigte.

Im Bahnhof von Irkutsk traf ich auf Alex aus den USA, der ebenfalls auf dem Weg nach Ulan Bator war. Seine Route führte ihn von New York über Dubai nach Südafrika, wo er mit einem LKW mitfuhr, der ihn bis nach Kenia brachte. Von Nairobi ging es weiter nach St. Petersburg, wo er seine Transib-Reise begann. Sein nächstes Ziel ist Tokio. Im Waggon traf ich auch auf Christina, Krankenschwester aus Frankfurt am Main. Sie hatte das gleiche Abteil wie Alex, ich teilte mein Abteil mit zwei mongolischen Frauen, die Verständigung war zunächst eher rudimentär. Auch Christina begann ihre Reise in St. Petersburg und wird wie ich nach China reisen. Sie hatte mich bereits im Speisewagen im Zug nach Irkutsk gesehen (und anhand meines Reiseführes – sie hat den gleichen – als Deutschen erkannt) aber nicht getraut mich anzusprechen. Von Christina erhalte ich eine reichhaltige Auswahl an deutschen Instant-Suppen. Vielen Dank!

Mongolisches Schlafwagenabteil

Mongolisches Schlafwagenabteil

Später am Abend besuchte uns Ganbold, Ausbilder an der Polizeiakademie in Ulan Bator, im Abteil. Er brachte Bonbons und bekam von uns Bier. Er kaufte in Irkutsk russischsprachige Lehrbücher für seine Akademie, 150 an der Zahl. Von Ganbold lernten wir unsere ersten Worte Mongolisch, gar nicht so einfach!

Mit Ganbold, Alex und Christina im Abteil

Mit Ganbold, Alex und Christina im Abteil

Rückseite eines Samowars - ein hochkomplexes Gerät

Rückseite eines Samowars – ein hochkomplexes Gerät

Neben uns sind noch etwa drei weitere Ausländer an Bord, der Rest der Passagiere waren Mongolen, die sich alle zu kennen scheinen. Sie hatten riesige Mengen Gepäck dabei, alles Einkäufe aus Irkutsk. Auch hörte man im Waggon verschiedene mongolisch- und englischsprachige Lieder aus einem Radio, die oftmals sehr lustig klangen und von den Reisenden mitgesungen wurden.

Leider gelangen von der Fahrt am Baikalsee in Richtung Ulan Ude keine Bilder, da es bereits dunkel war. Dafür war die Fotoausbeute am nächsten Morgen umso ergiebiger, als der Zug schier endlose russische Steppen durchquerte. Mehrere zwanzigminütige Stopps erlaubten Rauchpausen, am Ende durften wir sogar mit Genehmigung der mongolischen Schaffnerin am Waggonende rauchen. Wir haben einen Kurswagen nach Ulan Bator, die restlichen Waggons wurden vor der Grenze abgekoppelt. Erstmals sind an den Stationen auch Straßenhunde anwesend, was ich bisher in Rußland nicht gesehen hatte.

Wir überquerten zahlreiche Flüsse und passierten viele Seen - leider war keiner davon in meinen Karten verzeichnet

Wir überquerten zahlreiche Flüsse und passierten viele Seen – leider war keiner davon in meinen Karten verzeichnet

Russisches Dorf nördlich von Nauschki

Russisches Dorf nördlich von Nauschki

Die Transmongolische Eisenbahn führte in Südrussland meist durch Steppe

Die Transmongolische Eisenbahn führte in Südrussland meist durch Steppe

Mein Schlafwagen von Irkutsk nach Ulan Bator

Mein Schlafwagen von Irkutsk nach Ulan Bator

Super Wetter am zweiten Tag der Fahrt

Super Wetter am zweiten Tag der Fahrt

Einspurig zur Mongolischen Grenze

Einspurig zur Mongolischen Grenze

Unser Waggon hing sinngemäß an einer Art Regionalbahn, die einmal täglich in beide Richtungen sämtliche Dörfer zwischen Ulan-Ude und der mongolischen Grenze abfährt. Die Strecke ist einspurig und nicht elektrifiziert. Mit einer Diesellok und nur vier Waggons schlenderte der Zug gemütlich der mongolischen Grenze entgegen. Gegen Mittag des zweiten Tages erreichte ich den Russisch-Mongolischen Grenzbahnhof Nauschki, wo der Zug rund fünf Stunden stand.

Nauschki - Letzter Bahnhof in Russland

Nauschki – Letzter Bahnhof in Russland

Mein "Zug" - Zeitweise Stand unser Waggon einsam am Bahnsteig in Nauschki

Mein „Zug“ – Zeitweise Stand unser Waggon einsam am Bahnsteig in Nauschki

Eine Kuh verirrte sich auf den Bahnsteig in Nauschki

Eine Kuh verirrte sich auf den Bahnsteig in Nauschki

Zum Mittag aß ich mein letztes "Butterbrot" - In Russland lustigerweise stets ohne Butter

Zum Mittag aß ich mein letztes „Butterbrot“ – In Russland lustigerweise stets ohne Butter

In Nauschki gingen Alex, Christina und ich zusammen mit Rena und Jeff, beide Mitarbeiter eines Marktforschungsunternehmens aus Manchester, zusammen einkaufen. Nauschki bot nicht viel, es gab drei Läden, ein Cafe, einen Frisör und das Bahnhofs-WC. Fünf Stunden können hier ziemlich lang werden. Nach vier Stunden folgte die sehr aufwendige russische Grenzkontrolle. Dreimal wurde der Paß kontrolliert, zwei Mal das Abteil ohne – und einmal mit Hund durchsucht. Ich trage mittlerweile einen recht umfangreichen „Berg“ an offiziellen Dokumenten bei mir (sämtliche Visaregistrationen jeder Stadt der Ausländerbehörde in Rußland, mongolische Zolldeklaration, Einladung für Russland in Englisch und Russisch, Geldabhebequittungen usw.) und bis Nauschki auch die russische „Immigration Card“, die ich hier abgegeben habe. Bei der insgesamt dreimaligen Durchsuchung des Abteils wurde mein Gepäck zweimal vergessen, wobei sich lustigerweise herausstellte, das eine Mongolin aus meinem Abteil etwas Deutsch sprach und somit eine Mini-Konversation stattfand. Später erhielt ich von ihr sogar mongolisches Essen, Baozi (oder so ähnlich) genannt, eine Teigtasche mit Fleisch gefüllt.

Empfangsgebäude des Bahnhofes von Suche Bator am frühen Abend

Empfangsgebäude des Bahnhofes von Suche Bator am frühen Abend

"Welcome to Mongolia"

„Welcome to Mongolia“

Jeder Schaffner lädt neue Kohlen für seinen Samowar

Jeder Schaffner lädt neue Kohlen für seinen Samowar

Im Anschluß fuhr der „Zug“, de facto die zwei Waggons, ins mongolische Suche Bator. Unterwegs stiegen an der streng bewachten Grenze die mongolischen Zöllner zu, die alles in Allem etwas entspannter als die Russischen waren. Nach dem auch die Einreise in die Mongolei mitsamt Zolldeklaration erledigt war, durften alle Passagiere in Suche Bator aussteigen. Vorher kamen Geldwechsler in den Zug, die alle gängingen Währungen zu miserablen Kursen in mongolische Tugrik tauschten. Ich nutzte die Gelegenheit und wechselte meine letzten 200 Rubel in 7000 Tugrik um. Das ist sicher ein schlechtes Geschäft, aber je weiter ich mich jetzt von Rußland entferne, desto höher ist das Risiko, dass ich die russische Währung nicht mehr losbekomme. Zudem schadet es erfahrungsgemäß nie, etwas „Handgeld“ in der lokalen Währung bei sich zu haben.

Sonnenuntergang am Bahnhof von Suche Bator

Sonnenuntergang am Bahnhof von Suche Bator

In der mongolischen Grenzstadt Suche Bator stromerten Christina, Alex, Rena, Jeff und ich während des zweistündigen Aufenthaltes über den Bahnhof und das Vorgelände. Wir entdeckten mehrere Läden, wo wir einkauften und Ganbold ging sogar in ein Restaurant. Das war mir allerdings zu heikel, wurden uns doch verschiedene Abfahrtszeiten des Zuges genannt. Einmal hieß es 20 Minuten, dann drei Stunden, später zwei Stunden. Mit der mongolischen Zeit kam sowieso noch keiner von uns Ausländern klar (der eine lebte nach Moskauer Zeit, der Nächste nach Irkutsker, der andere nach Mongolischer und wieder andere nach der Zeit im jeweiligen Heimatland). Als finaler Höhepunkt wurde uns in Suche Bator der Weg zu unserem Zug durch einen anderen einfahrenden Zug versperrt, um welchen Christina, eine junge Mongolin aus ihrem Abteil und ich recht umständlich über die Gleise herumlaufen mussten. Aber am Ende war alles gut und alle Nicht-Mongolen fanden sich pünktlich im Zug wieder.

Den letzten Abend im Zug verbrachten Rena, Jeff, Ganbold und ich mit unseren letzten Litern russischen Baltika-Bieres und einer Flasche australischem Rotweins. Auch eine unserer Schaffnerinnen aus unserem Waggon ließ sich ein Glas nicht entgehen (im Gegenzug durfte ich im Zug rauchen – Mega!)

Mit Ganbold, Rena und Jeff im Abteil

Mit Ganbold, Rena und Jeff im Abteil

Um 23 Uhr (mongolischer Zeit) am zweiten Tag Abends hielt unser Zug in Darhan, der Heimatstadt von Ganbold. Jeff und Rena nutzten die Gelegnheit für einen 20-minütigen Abstecher in die Stadt mit Ganbold, für mich war das allerdings nichts (völlig unklare Standzeiten des Zuges, keine Abfahrtszeichen). Gegen sechs Uhr früh am dritten Tag erreichten wir endlich die mongolische Hauptstadt Ulan Bator. Hier traf ich Enda, den Fahrer meines Gasthauses am Bahnsteig. Er hielt ein Schild mit meinem Namen drauf in der Hand und mit ihm gelangte ich in wenigen Minuten zur Unterkunft.

6:40 Uhr - Pünktliche Ankunft in Ulan Bator

6:40 Uhr – Pünktliche Ankunft in Ulan Bator

So, heute war der Bericht etwas länger als sonst,

Euer Olli

Auf dieser Etappe zurückgelegte Entfernung: 1113 Kilometer



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8 Antworten zu “Irkutsk – Nauschki – Suche Bator – Ulan Bator”

  • Rodewischer sagt:

    Hi Olli,

    habe gerade mit einer Tasse Kaffee in der Hand Deinen interessanten und ausführlichen Bericht gelesen. Ach was sage ich: verschlungen :-).
    Sei weiterhin vorsichtig bei herumfliegenden Markisen u.a.:-)

    Am besten sind die Fotos, da kann man sich ein Bild machen, alles sehr ordentlich soweit man das aus der Ferne beurteilen kann. So ein schönes Schlafwagenabteil habe ich auch noch nicht gesehen.

    Herzlichst
    Sylvia

  • Toni sagt:

    Hey mein lieber,

    dies ist zwar mein erster Kommentar, was jedoch nicht gleichbedeutend heißen soll, das dies der erste Beitrag ist welchen ich lese. Ich finde es wahnsinnig aufregend was du alles erlebst, wen du alles kennenlernst und natürlich die tollen Bilder. Mach weiter so und genieß diese unheimliche Erfahrung. Ich freue mich auf dein nächsten Bericht. Lass es dir gutgehen und viele liebe Grüße aus dem sonnigen Leipzig,

    Toni

  • Olli sagt:

    Danke fürs Mitlesen! 🙂 In Ulan Bator bleibe ich mindestens 5 Tage, kann also dauern bis zum nächsten Bericht. Ich freue mich immer über Kommentare 🙂 Euer Olli

  • HIL sagt:

    Hallo Olli,

    vielen Dank für deine ausführlichen Berichte die wir jeden Tag verfolgen und fein säuberlich archivieren-hast ja schon viele tolle Leute kennengelernt-weiter alles gute auf deiner schönen Reise wünschen dir die HILer aus Sachsen,Gabi,Jörg und Sven!-halte die Ohren steif und Prost!

  • Krusty sagt:

    Hey Olle,

    na Du streuner, wieder vor der Haustür ausgerutscht und sonst wo auf der welt gelandet? Nicht schlecht Deine Rundreise. Man lernt so einige Butterbrote kennen. Ich drück Dir auf jedenfall die Daumen, dass alles gut weiter verläuft. Man sieht sich. :o)

    Gruß Krusty

  • Mongoleifan sagt:

    Tja,
    „BAOZI“ hast Du also gegessen ……. 🙂
    Dass es „Buuz“ waren, habe ich Dir ja schon gestern Abend im Dshingis-Club erklärt …..

    Der Mongoleifan Frank

  • Bernd sagt:

    Hallo Olli und Mongoleifan Frank, was issen los ?
    Seit zwei Tagen nix Neues ?
    Habt Ihr beim Ausritt in die Wüste Gobi keine Funkverbindung oder seid Ihr nach schwerer Kneipe überm Murmeltier-Essen eingeschlafen ? 😉
    Wir lechzen nach Neuigkeiten ! :-))

    Übrigens fällt mir hier beim Schreiben gerade ein: Im Lesebuch Klasse 5 oder 6, also bei mir 1964/1966, war eine Geschichte von einem mongolischen Jungen, der in der Wüste Gobi Pferde einfängt …
    Aber genau krieg ich das nicht mehr zusammen …
    @Mongoleifan Frank: Dürfte doch in Deinem Jahrgang auch noch enthalten gewesen sein. Ist Dir das noch besser erinnerlich als mir ?

    Grüße an Euch beide !

    Bernd

  • Zimbo sagt:

    Hey Olli alte socke. Absolut MEGA wie du das machst! Habe mit viel Interesse deine berichte gelesen. Die Bilder sind auch großartig geworden. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß und noch ein unvergessliches Abenteuer.
    Viele grüße aus Thüringen und pass auf dich auf.
    mKG Zimbo

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