Peking – Hanoi
16 05 2015+++ Zwei Jahre alter Fahrplan führt nach Vietnam +++ Warten in Nanning +++ Chinesisch-Vietnamesische Grenze +++ Malaria-Prophylaxe auf Hanoi verschoben +++
Nach dem Auschecken aus dem Hostel begab ich mich mit Vollgepäck durch enges Metrogezwänge zum Pekinger Westbahnhof. Nach vier Kontrollen (u.a. Gepäckscan, Fahrkarte) fand ich nach einiger Sucherei und langem Warten in einer riesigen Halle sogar meinen Zug. Hierbei möchte ich noch einmal den unschlagbaren (mittlerweile nicht mehr aufgelegten) Thomas Cook Rail Timetable erwähnen. Ich schleppe einen alten Wälzer von 2013 mit mir herum. Aber: Durch ihn habe ich meinen Zug gefunden, selbst die Nummer stimmte noch! Die chinesischen Anzeigetafeln waren für mich dagegen wenig aufschlußreich, ja ich konnte anfangs nicht einmal Ankunft und Abfahrt unterscheiden.
Die letzte Kontrolle, bevor ich wirklich auf den Bahnsteig durfte, war etwas umständlich. Meine Buchfahrkarte wurde misstrauisch beäugt, zumal der Verkäufer sie in lateinischen Buchstaben beschrieben hatte (keine Ahnung warum – damit es auch die Vietnamesen lesen können?) Ich kramte geistesgegenwärtig (hinter mir drängelten die Massen) einen weiteren Zettel hervor, auf dem alles auf Chinesisch stand – und durfte passieren! Am Bahnsteig erfolgte nur zweimal eine kurze Paßkontrolle und dann war ich in dem Zug, für dessen Buchung ich so lange gebraucht hatte.
Der Zug der chinesischen Staatsbahn war ordentlich, modern und blitzsauber. Ständig wuselten die beiden Waggonschaffner mit einem Besen, Wischlappen und Wassereimer umher. Nahezu ununterbrochen wurde der Teppich gereinigt, der Boden gewischt oder die Gardine zurechtgerückt. Mir war der Zug fast zu neuwertig, ich hätte es dann doch gerne ein wenig „rustikaler“ gehabt. Ein bisschen uriger, lebendiger, lebhafter, wilder und lauter. Fernseher und Klimaanlage brauche ich in einem Eisenbahnwagen nicht. Aber immerhin durfte man im Zug rauchen, jeder Waggon verfügte bei den Türen über zwei Aschenbecher! Das wog alles auf.
Mein Abteil bewohnte ich alleine, konnte mir also erstmals auf der Reise direkt ein Bett raussuchen. Überhaupt waren im ganzen Waggon nur noch zwei weitere (nicht sehr gesprächige) Mitreisende. Lustig war vorallem der Umstand, dass zumindest tagsüber der Waggon mit chinesischer Musik beschallt wurde, sobald sich der Zug einem Bahnhof näherte.
Meinen Ausflügen in den Speisewagen war mäßiger Erfolg beschieden. Alle anwesenden Chinesen besaßen einen Zettel, worauf sie bei Abgabe des Selbigen ein sehr leckeres Gericht serviert bekamen (Rindergulasch mit Bohnen und Reis). Da ich aber weder die Speisekarte lesen konnte noch über einen derartigen Zettel verfügte, gabs im Zug für mich: Instantnudelsuppe. Habe ich im Speisewagen erstanden (in einer Art kleinem Laden wo ich auf die Sachen zeigen konnte) und es war mit 6 Yuan nur einen Yuan teurer als im Supermarkt.
Gleichzeitig mit der Abfahrt von Peking wollte ich ursprünglich meine Malaria-Chemoprophylaxe starten. Um bei der Dosierung sicher zu gehen, begang ich einen schwerwiegenden Fehler: Ich las die Packungsbeilage! Auszug gefällig? Bitte schön: „…kann psychiatrische Symptome, wie Angststörungen, Gefühl des Misstrauens gegenüber anderen (Paranoia), Depressionen, Sehen oder Hören von Dingen, die nicht vorhanden sind (Halluzinationen) und Psychosen hervorrufen…Es wurden auch Fälle von Selbstmorden, Selbstmordgedanken und selbstgefährdendem Verhalten, wie z.B. Selbstmordversuchen, berichtet.“ Das Ende vom Lied ist nun, dass ich vor der Tablette mehr Bedenken habe als vor der blöden Malaria.
Der Zug aus Peking endete tatsächlich in Nanning statt in Hanoi, so wie ich es mir bereits dachte. Hier galt es nun drei Stunden Zeit totzuschlagen, was aber gleichzeitig die Gelegenheit bot, noch einige Yuan in Lebensmittel umzusetzen. Im Bahnhof traf ich auf eine gemischte US-Schwedische Gruppe, die allerdings bald nach Guilin weiterfuhr. In Nanning herrschte bereits tropische Hitze vor, ein kleiner Vorgeschmack auf Vietnam.
Im nächsten Zug war ich ganz alleine im Waggon (oder der Typ in Peking hat mir einen Erste-Klasse-Fahrschein verkauft). Es hat aber auch etwas Lustiges, einen ganzen Eisenbahn-Schlafwagen für sich zu haben: Niemand besetzt die Toilette, heißes Wasser ist auch immer da und die beiden Schaffner sind auch gut gelaunt, da sie sich ja nur um mich statt um 36 Reisende kümmern müssen, die in den Waggon passen würden. Ich hatte sogar alle Aschenbecher für mich alleine. Mega!
Für die 223 Kilometer zum chinesischen Grenzort Pingxian brauchte der Zug geschlagene sechs Stunden, wo ich kurz nach 22 Uhr ankam. Kaum war der Zug zum Stehen gekommen, mussten alle Reisende den Zug verlassen, im Bahnhof das Gepäck scannen und die üblichen Grenzformalitäten erledigen. Alles war nach rund 30 Minuten geschafft, der Zug stand dennoch 1,5 Stunden. Nach weiteren 40 Minuten Schleichfahrt erreichte ich das vietnamesische Dong Dang. Das Verfahren war genauso wie das chinesische. Im kleinen Bahnhof von Dong Dang tauschte ich schleunigst die allerletzten Yuan in Dong um und ergänzte damit sogleich den Reiseproviant. Im Bahnhof traf ich zwei perfekt englischsprechende Chinesinnen, gleichfalls auf dem Weg nach Vietnam. Sie leben in Antwerpen und sprachen auch Niederländisch. Ursprünglich wollten sie ihren Urlaub auf der Insel Hainan verbringen, doch der Flug war genauso teuer wie das Zugticket aus ihrer Heimatstadt Nanning ins sonnige Nachbarland.
Durch die langwierigen Grenzkontrollen hatte ich nicht mehr viel Schlaf in meinem Schlafwagen, denn schon um 5:45 Uhr erreichte der Zug den Hanoi Gia Lam-Bahnhof, welcher mitten im Regen und unter einer mächtigen Gewitterzelle vor sich hinschwitzend fast leer war. Ich wurde sofort von einer Bahnmitarbeiterin auf dem Bahnsteig (ich mittlerweile völlig durchnässt) in Empfang genommen und in einen Sonderwartesaal geführt, wo außer mir kein weiterer Reisender war. Auf meinen Wunsch hin organisierte sie mir einen Taxifahrer, der mich auch ohne Umschweife für zehn US-Dollar (sicherlich zu viel, aber ich hatte es nicht kleiner) die acht Kilometer zu meiner Unterkunft fuhr. Gegen einen Aufpreis konnte ich auch gleich einchecken.
Euer Olli
Auf dieser Etappe zurückgelegte Entfernung: 2996 Kilometer
PS: Ich habe jetzt auch wieder Facebook, das war neben Google in China auch verboten. Ich werde alle Nachrichten umgehend beantworten 🙂
Hi Olli, interessanter Bericht wie immer ! Danke ! 🙂
Hab eben mal mit Deinem Zeitplan abgeglichen: Ankunft Hanoi taggenau nach Plan !? Fragezeichen wegen Zeitversatz Ortszeit.
Besten Gruß, Bernd
Kümmere Dich schon mal um die Fahrt nach tpHCM/Saigon: der (Haupt-) Bahnhof in Hanoi ist in der Le Duan und nimm den softsleeper ( 4 Betten), Näheres hier http://www.seat61.com/Vietnam.htm PS: die Taxis haben in der Regel Taxameter….
Gruß und gutes Weiterkommen
Hallo Olli,
vielen Dank für deine schönen und sehr interessanten Berichte!Deine Karten sind heute bei uns im Stützpunkt eingetroffen-hier auch vielen Dank dafür-unser Dach ist erstmal wieder dicht hatten vorher ein schönes idyllisches Wassergrundstück.Wir freuen uns weiterhin auf neue Abenteuer von dir die du uns ja immer schön literarisch verpackt zukommen lässt-weiterhin alles Gute und viel Glück auf deiner Weltreise wünschen Jörg,Gabi und Sven!
Hallo Olli,
deine zweite Karte ist bei uns angekommen!!! Vielen lieben Dank!!
Jetzt können wir deine Reise intensiv verfolgen;-).
Weiterhin viel Glück und Gesundheit auf deiner Reise.
Und kleiner Tipp von uns: „KEINE Packungsbeilagen lesen!“ :-))
Deine Impfgruppe