Hanoi – Ho Tschi Minh – Stadt

23 05 2015

+++ Arrogante Europäer +++ Ho Tschi Minhs Geburtstag +++ In Meterspur durch den Dschungel +++ Vietnamesischer Speisewagen +++

Vor der Abfahrt in den Süden standen noch eine Reihe organisatorischer Dinge an. Unter anderem gelang der Transfer von 1000 Dollars per Western Union von Deutschland nach Vietnam. Es folgte allerdings ein gigantisches einstündiges Abhebeverfahren. Papierkrieg wie in Europa. Tags zuvor war Onkel Ho’s 125. Geburtstag, es schien mir, dass zumindest in meinem Viertel etwas weniger Verkehr herrschte, aber dies kann auch täuschen. An allen anderen Tagen wimmelte es vor knatternden Mopeds verbunden mit der ständigen Gefahr, angefahren zu werden. Dagegen war der Verkehr in Ulan Bator eine Insel der Glückseeligkeit.

In Hanoi sind mir vor allem Europäer aufgefallen, die sich teilweise wie die Herrenmenschen aufführten. Da wurden Kronkorken und Kippenstummel von Bars auf die Straße geworfen und die Kellner auf Deutsch zusammengestaucht, wenn sie ein leeres Bierglas bei einem Gast nicht gleich bemerkten. Das schöne deutsche Wort Fremdschämen traf mein Gefühl am Besten. Dies war unter anderem ein Grund dafür, warum ich mein Thailand-Programm mittlerweile auf Bangkok reduziert habe. Die Situation wird an den dortigen Stränden nicht anders aussehen.

Nach einem weiteren erfolgreichen Frisörbesuch wollte ich ursprünglich an meinem letzten Tag in Hanoi einen Abstecher zum Ho-Tschi-Minh-Mausoleum und zum Hoan Kiem – See unternehmen. Daraus wurde allerdings nichts, da ich am frühen Nachmittag in einer Bar Andreas traf. Der 52-jährige war Chirug bei der GSG 9 des Bundesgrenzschutzes und arbeitet seit sechs Jahren für Interpol bei der malaysischen Polizei. Er bezeichnete seinen Dienstgrad vergleichbar mit Oberst. Von der Arbeit in Malaysia hat er sich ein Jahr Auszeit genommen und verbringt diese Zeit nun in Vietnam. Viel mehr als von seiner Unterkunft in die zehn Meter entfernte Bar zu tappern scheint er allerdings nicht zu unternehmen. Sein vietnamesisches Visum ist bereits seit über einem Monat abgelaufen. Das nennt man dann wohl gestrandet. (In Indochina sind schräge Obristen offensichtlich keine Seltenheit, irgendwie kommt mir Oberst Kurtz aus „Apocalypse now“ in den Sinn).

Später am Abend traf ich mitten in Hanoi Oliver vom Boot in der Halong-Bucht wieder – besser gesagt er fand mich. Zusammen tranken wir noch ein Bier. Mittlerweile ist er bereits wieder in der Schweiz. Mein Hotel organisierte mir das Taxi zum Bahnhof am Abend. Ein Angestellter fuhr sogar mit, um sicherzugehen, dass ich nicht in den falschen Zug steige. (Hey super Service, aber sowas brauche ich eigentlich nicht – trotzdem danke!). Der Zug im Hauptbahnhof von Hanoi war einfach zu finden (weil der Einzige). Überhaupt ist der Schienenverkehr in Vietnam sehr übersichtlich, im Thomas Cook Rail Timetable passt er auf zwei Seiten.

Vor dem Bahnhof von Hanoi

Vor dem Bahnhof von Hanoi

Der Zug in den Süden war sehr international. Ich traf auf Leute aus Venezuela, Großbritannien, Australien, Südafrika und Belgien. Es waren derer zuviele, um hier jeden genauer vorzustellen. Gesagt sei soviel, dass ich mir mein Vierbettabteil mit   vier (!) jungen Belgierinnen aus Gent teilte. Sie waren das erste Mal in Asien und ziemlich unbeholfen („Waaaas, im Zug gibts kein kostenloses Internet?“). Nein Mädels, Zug fahren in Vietnam ist doch etwas anderes als im noblen TGV mit getönten Scheiben vollklimatisiert in kürzester Zeit von Brüssel nach Paris zu rauschen.

Am ersten Abend traf ich im Speisewagen auf ein junges britisches Pärchen (Namen vergessen). Sie arbeitet als Frauenärztin und er als Allgemeinmediziner. Sehr nette Unterhaltung. Den restlichen Abend verbrachte ich am Fenster, welches sich in vietnamesischen Zügen im Mittelgang öffnen lässt. Rauchen war sowohl in den Waggons und (außerhalb der Hauptessenzeiten) auch im Speisewagen erlaubt. Mega!

In Vietnam ließen sich erstmals seid der Mongolei die Fenster wieder öffnen - sehr schön

In Vietnam ließen sich erstmals seit der Mongolei die Fenster wieder öffnen – sehr schön

Kurz vor Da Nang: Die Zug schiebt sich langsam durch dicht bewaldetes Gebiet und...

Kurz vor Da Nang: Die Zug schiebt sich langsam durch dicht bewaldetes Gebiet und…

... an schönen Stränden vorbei

… an schönen Stränden vorbei

Am zweiten Tag, nach dem Halt in der Stadt Hue, schlich der Zug mit teilweise nur zehn Kilometern pro Stunde durch den Dschungel, sehr schön an der Pazifikküste entlang. Des öfteren führte die Bahnstrecke auch durch dicht bebaute Stadtgebiete und schlängelte sich dabei nur wenige Zentimeter an Wohnhäusern vorbei. Trotz Meterspur erreichen die Züge in Vietnam abschnittsweise aber auch bis zu geschätzten 80 Km/h.

Die Belgierinnen aus meinem Abteil stiegen in Da Nang aus und wenig später zog ein Vietnamese ein. Fast alle Ausländer sind in Hue oder Da Nang ausgestiegen, der Zug war ab dann nicht mehr so überfüllt. Der Speisewagen ist wieder einmal eine Klasse für sich. Auf Gäste ist das Personal nicht sonderlich erpicht. Das Essen wird zwar in die Abteile geliefert, die meisten bevorzugen allerdings den Tisch im Speisewagen statt das Essen während der schaukeligen Fahrt über das eigene Bett zu verkleckern. Zubereitet werden die in die Abteile auszuliefernden Speisen vom zahlreichen Peronal an den Gästetischen im Speisewagen, so dass für eigentliche Gäste kaum Platz ist. Ständig wird irgendetwas gehäckselt, geschnibbelt und gebrutzelt. Im Küchenabschnitt gackerten Hühner. Lebendig mitgenommen ist es bei der schier unerträglichen Hitze wahrscheinlich die beste Konservierungsmöglichkeit.

Reisfelder entlang der Strecke

Reisfelder entlang der Strecke

Tisch in einem vietnamesischen Speisewagen

Tisch in einem vietnamesischen Speisewagen

Beim Schreiben dieses Blogs im Zug

Beim Schreiben dieses Blogs im Zug

Bahnsteigszene. Ort allerdings vergessen (vielleicht Nha Trang)

Bahnsteigszene. Ort allerdings vergessen (vielleicht Nha Trang?)

Mein übersichtliches Reisegepäck: Schulrucksack und "Klaus", die treue Netto-Tüte

Mein übersichtliches Reisegepäck: Schulrucksack und „Klaus“, die treue Netto-Tüte

Ich wurde mehrfach gefragt, ob ich in Vietnam den „Wiedervereinigungs-Expreß“ benutzt habe. Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Die Zugnummer lautete SE 1. Vielleicht kann jemand der hier Mitlesenden das Rätsel lösen.

Ich erreichte Ho Tschi Minh-Stadt am frühen Morgen des dritten Tages der Fahrt. Vom Hauptbahnhof ging ich einige Hundert Meter nach rechts, um ein günstigeres Taxi zu bekommen. Es gelang auch, der Fahrpreis lag bei 100.000 Dong. Im Hotel konnte ich für die Zahlung von 14 US-Dollar extra bereits früh am Morgen einchecken. Hier musste ich erschreckend feststellen, dass mein Laptop den Strapazen der Fahrt wohl nicht gewachsen war und dieser Bericht daher mit einem Tag Verspätung erscheint. Details dazu folgen im nächsten Bericht.

Wie immer gilt: Vielen Dank fürs Mitlesen und Kommentare schreiben sowie die zahlreichen Tipps!

Es grüßt

Euer Olli

Auf dieser Etappe zurückgelegte Entfernung: 1729 Kilometer



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9 Antworten zu “Hanoi – Ho Tschi Minh – Stadt”

  • Rodewischer sagt:

    Danke für den heißersehnten nächsten Bericht.
    Ich wollte schon immer mal wissen was es mit der Nettotüte auf sich hat.
    Nun ist das Rätsel gelöst.:-)

    Halte durch „Klaus“

    Lg
    Sylvia

  • Bernd sagt:

    Hallo Olli,
    Dank für Deinen Bericht. Interessant wie immer. Auch gut, daß das mit WU geklappt hat, war keine leichte Aufgabe !
    Schönen Gruß übrigens von Marco, Maria und Maximilian, die sind über Pfingsten bei uns zu Besuch. Heute waren wir in AE beim Italiener, der Großteil zwischendrinne im Hofau-Park (Park der Generationen) .

    Noch einen speziellen Dank an meinen Kumpel für seine vielfältigen Tips: Waren er/sie hilfreich ?

    Gute Weiterreise !

    BG, Bernd

  • Wigand sagt:

    Hi Olle,

    aus meiner Sicht gibt es gute Gründe anzunehmen, dass du wirklich im “Wiedervereinigungs-Expreß” saßt:

    Wie wir ja (aus eigener Erfahrung) wissen, braucht es für eine Wiedervereinigung erstmal eine Teilung. Die gab es in Vietnam um die beiden Indochinakriege herum, währenddessen Nord- und Südvietnam eigenständige Staaten bildeten. Inwieweit in dieser Zeit von der Hauptstadt Nordvietnams (Hanoi) zur Hauptstadt Südvietnams (Saigon) eine Zugverbindung bestand, ist mir nicht bekannt. Als Zeichen der Wiedervereinigung Vietnams wurde als eine der ersten Amtshandlungen die ehemalige Hauptstadt Südvietnams umbenannt in Ho Tschi Minh – Stadt, benannt nach einem gewissen Onkel und ehemaligen Präsidenten Nordvietnams. Folgerichtig muss die Zugverbindung zwischen den wiedervereinigten Städten auch das Wort „Wiedervereinigung“ im Namen tragen.

    Bleibt noch zu klären, ob die Bezeichnung „Express“ zutreffend ist. Bei geschätzten 30-40 Stunden Fahrt für die 1700 km ergibt sich eine durchschnittliche Geschwindigkeit von ca. 50 km/h – für einen Express nun wirklich nicht überdurchschnittlich schnell. Wie zu lesen war, führte die Strecke aber auch mit tw. 10 km/h durch Dschungel, nahe an der Küste entlang, durch Stadtgebiete und das ganze auf einer Straßenbahn-Spurweite. Dafür sind die 80 km/h Spitzengeschwindigkeit doch aller Ehren wert, und da unter solchen Bedingungen auch ein TGV nicht sehr viel schneller vorankommen würde, muss dein Zug tatsächlich der Wiedervereinigungs-„Express“ gewesen sein.

    Viele Grüße,
    Wigand

  • Bernds Kumpel sagt:

    Wiedervereinigungsexpress ist korrekt; so werden alle von Hanoi nach tpHCM durchfahrenden Züge benannt.Zwischen 54 und 76 gab es keinen durchgehenden Verkehr mehr…. Epxress ist wirklich etwas aus unserer Sicht übertrieben: als er so benannt wurde , dauerte die Strecke per Strasse (Nationalstrasse 1 )nicht unter einer Woche, von daher ists einer… .warum bist Du nicht SE5 oder 7 gefahren, die brauchen nur ein-dreiviertel-Tage.ot: der Wigand weiss, auf welcher Spurweite der „Shinkansen“ fährt? – Die 10 kmh-Strecke ist die zwischen Hue und Da Nang, da unterquert der Zug den Wolkenpass und muß durch ein paar Tunnels-immer da, wo die Ausläufer des Truong Son- Gebirge bis zur Küste reichen wirds langsam.-. Nha Trang ist möglich, denke aber eher Quang Ngai; in Nha Trang ists bei der Ankunftszeit von SE 1 stockfinster…Wo hast Du Quartier in tpHCM genommen?
    Gruß und viel Spass noch..

  • Bernds Kumpel sagt:

    Nachtrag
    @ wigand: Muß mich korrigieren, der Shinkansen fährt Normalspur…..
    100 T Dong ist der Preis für ca 5-6 km Taxifahrt…..empfehle die eine Fahrt mit Mopedtaxi ( Honda om ) als Stadrundfahrt, aber Preis vorher klarmachen! Sowas kann Dir auch Dein Hotel organisieren.-Wenn Du zum Flughafen fährst, muß man Einfahrt bezahlen ( wie Maut) als Hinweis…kommt auf den Taxipreis drauf.

  • Olli sagt:

    Vielen Dank für die Tipps! Ich wohne übrigens an der Ecke Pham Ngu Lao / Do Quang Dau, gegenüber vom 23/9 – Park. Olli

  • Bernds Kumpel sagt:

    Nachtrag 2 , habe jetzt noch gelesen, wo Du Quartier bezogen hast: fallst Du Zeit und Muße hast gehe die Do Quang Dau in Richtung Tran Hung Dao zur Bui Vien: neben dem „Karaokeschuppen“ ist ein zweistöckiges kleines (!) Restaurant:Man läuft von der Do Quang direkt drauf zu. In der ersten Etage sitzt so ab 18-19 Uhr ein freundlicher älterer Herr, meist mit Buch, Rupo mit Namen, der kann Dir die besten Tips geben…
    Gruß

  • Olli sagt:

    Danke, werde ich versuchen! Ist heute mein letzter Tag in tphcm und es gibt noch soviel zu entdecken. Olli

  • Wigand sagt:

    Hi Olle,

    gestern erreichte uns dein Brief aus Saigon vom 23.5. und die wunderbare Karte mit dem Schildkrötenturm von Hanoi. Vielen Dank dafür. Da lacht das Informatikerherz und ich werde gleich mal ne Runde „Die Türme von Hanoi“ spielen.

    Schöne Zeit weiterhin!

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